Bundespräsident Joachim Gauck zu Gast beim Handwerk
Handwerk engagiert sich für die berufliche Integration von Zuwanderern aus dem Ausland und von Flüchtlingen
Bundespräsident Gauck besucht die Maschinenbaufirma Eubel in Troisdorf und das Bildungszentrum Butzweilerhof der Handwerkskammer in Köln-Ossendorf
Handwerkspräsident Wollseifer: Wir werben in elf Sprachen um den Berufsnachwuchs, bald gibt es auch ein Faltblatt in Arabisch
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Maurermeister Dzevad Baralija, 1982 in Mostar (Bosnien-Herzegovina) geboren, ist als 10-jähriger mit seiner Mutter vor dem jugoslawischen Bürgerkrieg nach Deutschland geflohen. In Köln machte er die Ausbildung zum Stahlbetonbauer, seit der im Jahr 2011 bestandenen Meisterprüfung arbeitet er als Dozent und Ausbilder in der Baulehrwerkstatt des Bildungszentrums Butzweilerhof der Handwerkskammer zu Köln. Dort arbeitet er im Flüchtlingsprojekt der Kammer mit. Die Maurerhalle war eine der drei Lehrwerkstätten, die Bundespräsident Joachim Gauck bei seinem Besuch im Kölner Handwerk besichtigte.
22 Flüchtlinge, darunter acht aus Syrien, fünf aus Eritrea, zwei aus dem Irak, haben im September eine zehnmonatige Berufsvorbereitung im Bildungszentrum der Handwerkskammer begonnen und lernen dabei Berufe im Bau-, Metall- und Elektrohandwerk kennen. Das Ziel ist, dass sie danach in eine Ausbildung in einem dieser Berufe einsteigen können. Im Gespräch mit Maurermeister Baralija informierte sich Gauck über dieses neue Projekt der Handwerkskammer.
Die Handwerkskammer zu Köln und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hatten den Bundespräsidenten nach Köln eingeladen, um ihm die im Handwerk erfolgreich praktizierte Integration von Mitarbeitern ausländischer Herkunft vorzustellen. Das Besuchsprogramm startete in der Eubel GmbH in Troisdorf-Spich. Diese Firma ist auf Sondermaschinenbau spezialisiert und gehört zu den besonders innovativen Handwerksunternehmen, unter anderem in Kooperation mit der Universität Duisburg-Essen. 13 der 46 Mitarbeiter haben ausländische Wurzeln (sieben aus Russland, zwei aus der Türkei, je einer aus Kasachastan, Kroatien, Spanien und dem Iran).
Nicht nur in vielen Handwerksunternehmen arbeiten Fachkräfte mit Migrationshintergrund, auch im Bildungszentrum Butzweilerhof der Handwerkskammer sind Ausbilder, die aus Zuwandererfamilien stammen, tätig. Einer von ihnen, Veli Ayalp, dessen Eltern Ende der 60er Jahre von der Türkei nach Deutschland gekommen waren, stellte dem Bundespräsidenten die Kfz-Lehrwerkstatt der Handwerkskammer vor. Ein Thema beim Gespräch mit Gauck war die Elektromobilität, die Lehrwerkstatt im Bildungszentrum Butzweilerhof verfügt über einige Hybrid- und Elektrofahrzeuge, damit der Berufsnachwuchs in dieser Zukunftstechnologie geschult werden kann. Alle Auszubildende des Handwerks besuchen, ergänzend zur Ausbildung im Betrieb und in der Berufsschule, einige Lehrgänge in den Berufsbildungszentren des Handwerks. Für die Kfz-Lehrlinge sind während ihrer dreieinhalbjährigen Ausbildung insgesamt zehn Lehrgangswochen im Bildungszentrum Butzweilerhof der Handwerkskammer vorgesehen.
Bei der Ausbildung zum Friseur machen die überbetrieblichen Lehrgänge drei Wochen aus. Als Gauck die Friseurlehrwerkstatt des Bildungszentrums besuchte, war dort neben den Auszubildenden knapp ein Dutzend Schüler der achten Klasse einer Kölner Gesamtschule anwesend. Damit Schüler besser auf den Übergang von der Schule ins Berufsleben vorbereitet werden, wird derzeit in Nordrhein-Westfalen flächendeckend die Berufsorientierung ausgebaut. Für die Handwerksbetriebe in der Kölner Region wird es Jahr für Jahr schwieriger, alle angebotenen Lehrstellen zu besetzen. Daher erweitert die Handwerkskammer ihre Angebote in der Ausbildungsvermittlung, um die Unternehmen bei der Suche nach Lehrstellenbewerbern zu unterstützen.
Sehr willkommen sind auch die Bewerbungen von Jugendlichen aus Zuwandererfamilien. „Unsere Kammer hat das bisher bundesweit einmalige Konzept einer mehrsprachigen Ausbildungsbörse entwickelt. In mittlerweile elf Sprachen informieren wir über die Berufsausbildung, bald gibt es auch ein Faltblatt in Arabisch“, erläuterte Hans Peter Wollseifer, Präsident der Handwerkskammer zu Köln und des ZDH. Neun Prozent der Auszubildenden in den Handwerksunternehmen des Kammerbezirks „haben einen ausländischen Pass, etwa doppelt so hoch ist der Anteil derer, die aus Zuwandererfamilien stammen“.
Wollseifer wies anlässlich des Besuchs des Bundespräsidenten darauf hin, wie erfolgreich in der Praxis der Handwerksbetriebe die Integration der Mitarbeiter ausländischer Herkunft verläuft. „Im Betrieb, in der Werkstatt, auf der Baustelle zählt das gemeinsame Ziel der Mannschaft – nicht die individuelle Herkunft“, so der Handwerkspräsident. Nach seiner Überzeugung sind die Aufnahme und Integration der vielen Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, „eine große nationale Herausforderung für unser Land“. Dies sei auch eine Chance im demographischen Wandel, „gut ausgebildete Fachkräfte können helfen, die eine oder andere Lücke in den Belegschaften zu schließen“.
Bundespräsident Gauck wurde bei seinem Besuch im Kölner Handwerk von Hans Peter Wollseifer sowie vom nordrhein-westfälischen Arbeits- und Sozialminister Rainer Schmeltzer, von ZDH-General-sekretär Holger Schwannecke und vom Hauptgeschäftsführer der Kölner Kammer, Dr. Ortwin Weltrich, begleitet.
Das Besuchsprogramm schloss mit einer von Weltrich moderierten Gesprächsrunde in der Mensa des Bildungszentrums ab. Das Ziel dieser Gesprächsrunde war es aufzuzeigen, wie breit aufgestellt das Handwerk beim Thema Integration ist. So nahm daran der 21-jährige spanische Auszubildende im Elektro-Handwerk, Lluis Crispin Asensi, teil, dank des Spanien-Projektes der Handwerkskammer und des Mobilitätsförderprogramms des Bundes absolviert er seit zwei Jahren eine Ausbildung in einem Kölner Elektrobetrieb.
Bei der Gesprächsrunde mit dem Bundespräsidenten kam ebenfalls Mohammad Trabelsi zu Wort, der 23-jährige Flüchtling aus Syrien, der seit Herbst 2014 in Deutschland lebt, nimmt an der Berufsvorbereitung für Flüchtlinge im Bildungszentrum Butzweilerhof teil. Zwei für die Berufsausbildung stark engagierte Unternehmer, Carmen Heinke, Geschäftsführerin der Bäckerei Hardt mit rund 30 Filialen, und Marc Schmitz, Unternehmer aus der Sanitär- und Heizungsbranche, stellten am Beispiel ihrer Unternehmen vor, wie bunt gemischt die Belegschaften im Handwerk inzwischen sind. „Feiertage aller Kulturen stehen im Dienstplan“, heißt es bei der Bäckerei Hardt. Beim gemeinsamen Essen in der Firma Marc Schmitz wird die „muslimische Esskultur berücksichtigt“. Doch im Unternehmen „wird nur Deutsch gesprochen“, so Schmitz. Auch nach Überzeugung der Handwerksorganisationen ist der Erwerb von Deutschkenntnissen wichtig, damit die Integration gelingen kann. „Bund und Land müssen mehr Geld für die Finanzierung von Sprachkursen zur Verfügung stellen“, forderte Weltrich.