Vollversammlung fordert bei Herbsttagung Abbau bürokratischer Hürden fürs Handwerk
Vollversammlung der Handwerkskammer zu Köln fordert bei ihrer Herbsttagung den Abbau bürokratischer Hürden fürs Handwerk
FDP-Chef Christian Lindner: "Handwerk weiter stärken - durch richtige Rahmenbedingungen statt Staatswirtschaft."
Die Vollversammlung (der Handwerkskammer zu Köln) versammelt sich zum letzten Mal in dieser Zusammensetzung; 2015 wird ein neues "Parlament des Handwerks" gewählt
Die positive wirtschaftliche Lage des Handwerks und die oft konträre Mittelstandspolitik sind die meistdiskutierten Themen der Herbsttagung der Vollversammlung der Handwerkskammer zu Köln. Dabei präsentiert sich das Handwerk in Zeiten abklingender Konjunktur als außerordentlich stabil. Hans Peter Wollseifer, Präsident der Handwerkskammer zu Köln, stellt den Mitgliedern der Vollversammlung die erfreulichen Ergebnisse der Herbstumfrage unter den Handwerksbetrieben im Kammerbezirk vor: Demnach stuften 43 Prozent der befragten Unternehmer ihre aktuelle Geschäftslage als gut ein (Herbst 2013: 43 Prozent), 46 Prozent als befriedigend (Herbst 2013: 47 Prozent) und lediglich 11 Prozent als schlecht (Herbst 2013: 10 Prozent).
Gastredner Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP und Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion NRW, fordert in seinem Vortrag mithin politisches Engagement mit Augenmaß für kleine und mittlere Betriebe des Handwerks: "Das Handwerk und der Mittelstand sind Rückgrat unserer deutschen Wirtschaft. Gerade in Zeiten abklingender Konjunktur ist die ´Wirtschaftsmacht von nebenan´ tragende Säule unseres Landes und Arbeitgeber für Millionen von Menschen. Wir wollen das Handwerk weiter stärken – durch richtige Rahmenbedingungen statt Staatswirtschaft. Also durch den Abbau unnötiger Bürokratie wie das Tariftreue- und Vergabegesetz, eine faire Abgabenlast und eine sichere und bezahlbare Energieversorgung."
Dass die "Wirtschaftsmacht von nebenan" auch in Zukunft auf tatkräftigen und qualifizierten Nachwuchs bauen kann, daran arbeitet die Kammer mit Nachdruck. So gab es in der Zeit vom 1. Oktober 2013 bis zum 30. September 2014 im Kammerbezirk 5.495 neu abgeschlossene Ausbildungsverhältnisse. "Der Umfang neu abgeschlossener Ausbildungsverträge ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum praktisch unverändert. Das ist bereits ein sehr gutes Ergebnis. Denn der Trend, dass - unter anderem wegen der rückläufigen Zahl von Schulabgängern - nicht alle der von den Unternehmen angebotenen Ausbildungsplätze besetzt werden können, setzt sich verstärkt fort", erläutert Kammerpräsident Wollseifer.
Besonderes Augenmerk bei der Nachwuchswerbung richtet die Handwerkskammer zu Köln ab sofort auf die Zielgruppe der Studienabbrecher. Um Studenten zu erreichen, die sich beruflich neu orientieren wollen, hat die Kammer im Oktober beispielsweise eine Kooperationsvereinbarung mit der Universität zu Köln geschlossen. Der eingeschlagene Weg zeigt erste Erfolge: "Inzwischen macht der Abiturientenanteil bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnissen rund 18 Prozent aus, vor drei Jahren waren es erst 8,5 Prozent. Dabei ist der befürchtete Verdrängungseffekt, dass Abiturienten Haupt- und Realschülern Lehrstellen wegnehmen könnten, ausgeblieben", betont Wollseifer.
Damit die Qualifikation im Handwerk auf dem gewohnt hohen Niveau bleibt, hat die Handwerkskammer in den letzten Jahren in ihre Bildungszentren investiert. So konnte im Sommer auf dem Gelände des Bildungszentrums Butzweilerhof eine neue Bildungsstätte für das Dachdeckerhandwerk in Betrieb gehen. Im Frühsommer wurde dort ebenfalls der Umbau des Foyers abgeschlossen, in dem Ende Juni die Meisterfeier der Handwerkskammer stattfand. Im kommenden Jahr werden zudem ein Schulungsgebäude für barrierefreies Bauen und Wohnen sowie für regenerative Energien eröffnet.
Eine besonders jugendaffine Ansprache potentiellen Nachwuchses schafft die Handwerkskammer zu Köln alljährlich beim Tag des Handwerks im September auf dem Kölner Heumarkt. Mit einem attraktiven Rahmenprogramm auf der Open-Air-Bühne sorgten in diesem Jahr unter anderem die Bands Frida Gold und Cat Ballou für Begeisterung unter mehreren tausend Zuschauern. Eingerahmt wurde das Publikum von einer ganzen Reihe an Pagodenzelten, in denen Handwerker und Berater der Kammer zahlreiche Informationen rund um die Karriere im Handwerk sowie spannende Mitmachaktionen bereithielten.
Der bundesweite Tag des Handwerks ist Teil der Imagekampagne des deutschen Handwerks, die 2015 in ihre nächste Runde geht. In dieser zweiten Kampagnenstaffel liegt der Fokus ebenfalls verstärkt auf der Nachwuchsgewinnung. So gibt es unter anderem einen neuen Kampagnenspot, der ganz auf junge Menschen ausgerichtet ist und eine moderne Perspektive auf diesen traditionellen Wirtschaftszweig einnimmt.
Für das Handwerk in der Region bleibt hingegen die Verkehrssituation unverändert größtes Hemmnis unternehmerischen Erfolgs: "Firmenfahrzeuge die im Stau stecken bleiben, bedeuten fürs Handwerk pro Jahr einen Verlust von rund 150 Millionen Euro, wie unsere Umfrage vor einigen Monaten ergeben hat. Inzwischen dürfte der wirtschaftliche Schaden aufgrund der nunmehr verschärften Verkehrssituation - etwa durch die Baustelle am Heumarer Dreieck - weitaus größer sein", sagt Dr. Ortwin Weltrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln, in seinem Bericht vor der Vollversammlung. Deshalb bekräftigt die Kammer ihre Forderung an den landeseigenen Betrieb Straßen.NRW, zeitlich unkritische Baustellen, wie die Verbesserung des Schallschutzes am besagten Heumarer Dreieck, auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.
Als geradezu "mittelstandsfeindlich" brandmarkt Dr. Weltrich ebenfalls die Vergabepraxis der Stadt Köln: Kürzlich hat die Stadtverwaltung die im Vergaberecht ausdrücklich vorgesehenen beschränkten Ausschreibungen aus ihrer Vergabepraxis gestrichen und durch bundesweite öffentliche Ausschreibungen ersetzt. Die Handwerkskammer zu Köln fordert die Fraktionsvorsitzenden der Kölner Ratsparteien weiterhin auf, dafür zu sorgen, dass städtische Aufträge auch wieder über beschränkte Ausschreibungen vergeben werden: "Gerade Klein- und Mittelbetriebe leiden unter bürokratischen Hürden, beispielsweise Handwerksunternehmen, die auf öffentliche Bauaufträge angewiesen sind. Die Kammer fordert daher eine schnelle Evaluierung und Änderung des nordrhein-westfälischen Vergabegesetzes, das vor rund zweieinhalb Jahren in Kraft getreten ist", so Dr. Weltrich.
Auf der Tagesordnung der Vollversammlung, der 36 Arbeitgeber- und 18 Arbeitnehmervertreter aus der gesamten Region Köln-Bonn angehören, stand ebenfalls unter anderem die Beschlussfassung zum Haushaltsplan 2015, der ein Volumen von 34,5 Millionen Euro beträgt. Zudem wurde über Beschlussvorlagen im Bereich der überbetrieblichen Unterweisung, der Gesellen- und Abschlussprüfungen sowie bei Fortbildungsprüfungen abgestimmt. Dabei versammelte sich die Vollversammlung der Handwerkskammer zu Köln zum letzten Mal in dieser Konstellation; 2015 wird ein neues "Parlament des Handwerks" gewählt.