Ratgeber Ausbildungsrecht (Neuerungen ab 01.08.2024)Berufsschule (Berufskolleg)

Der Berufsschulunterricht ist zentraler Bestandteil der Berufsausbildung. In den Berufskollegs wird das für jede Berufspraxis unerlässliche theoretische Wissen vermittelt. Grundlage des Berufsschulunterrichts sind die landeseinheitlichen Rahmenlehrpläne, die mit dem jeweiligen Fachverband und der Gewerkschaft auf die Ausbildungsordnung abgestimmt werden.

Ausbildungsbetrieb und Berufsschule sind Partner im dualen System, die den Ausbildungserfolg nur gemeinsam - im arbeitsteiligen Zusammenwirken - leisten können.

Im Interesse der Ausbildungsqualität empfehlen wir den Betrieben, die zahlreichen Möglichkeiten der Kooperation mit der Berufsschule/dem Berufskolleg bzw. den Berufsschullehrern zu nutzen!



Wer ist berufsschulpflichtig?

Wer wie lange berufsschulpflichtig ist, ist in den Schulgesetzen des jeweiligen Bundeslandes geregelt. In NRW gilt, wer vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres ein Berufsausbildungsverhältnis beginnt, ist bis zu dessen Ende schulpflichtig (§ 38 Abs. 2 SchulG NRW).

Wer bei Ausbildungsbeginn bereits älter ist als 21 Jahre, ist berechtigt die Berufsschule zu besuchen solange das Berufsausbildungsverhältnis besteh (§ 38 Abs. 5 SchulG NRW).

Wenn der Nicht-Berufsschulpflichtige keine Berufsschule besucht, ist der Ausbildungsbetrieb verpflichtet, ihm in vergleichbarem Umfang und Qualität die in der Berufsschule vermittelte Fachtheorie beizubringen (vgl. § 14 Abs. 1 BBiG) - ansonsten könnte sich der Ausbildungsbetrieb bei Nichtbestehen der Gesellenprüfung schadenersatzpflichtig machen.

Wir empfehlen daher in diesen Fällen im Ausbildungsvertrag unter Punkt F zu vereinbaren, dass der Berufsschulunterricht zu besuchen ist.

 

Welche Berufsschule ist zuständig? 

Jeder Ausbildungsbetrieb hat den Anspruch (gem. § 46 Abs. 5 SchulG NRW), dass seine Auszubildenden zur Erfüllung der Schulpflicht das zum Ausbildungsbetrieb nächstgelegene Berufskolleg besuchen, in dem eine entsprechende Fachklasse eingerichtet ist. Mit Einverständnis des Ausbildungsbetriebs kann eine Auszubildende oder ein Auszubildender ein anderes, insbesondere wohnortnäheres Berufskolleg, an dem eine entsprechende Fachklasse besteht, im Rahmen der Aufnahmekapazität besuchen.

Der Auszubildende/ die Auszubildende muss vom Betrieb unmittelbar nach Abschluss des Ausbildungsvertrages bei dem Berufskolleg angemeldet werden.

Die Anmeldung von Auszubildenden zum Berufsschulunterricht ist auch online möglich.

 

Schüler Online“ ist eine Internet-Plattform, die Verwaltungsaufwand spart und Anmeldeprozesse beschleunigt. Der Vorteil des Systems liegt darin, dass Nutzer jederzeit den Status ihrer Anmeldung verfolgen können. Außerdem bietet es einen umfassenden Überblick aller Bildungsangebote der teilnehmenden aufnehmenden Berufskollegs.

Anmeldungen können alternativ auch auf schriftlichem Wege bei den Schulen eingereicht werden.

Ihre Innung/Kreishandwerkerschaft oder die Ausbildungsberater der Kammer nennen Ihnen gern die Adresse der zuständigen Berufsschule.

Oder Sie besuchen unsere Homepage im Internet unter www.berufsinfo.org. Bei Berufe A-Z finden Sie beim jeweiligen Ausbildungsberuf unter dem Download „Daten und Fakten“ die Anschriften der Berufskollegs im Kammerbezirk Köln.



Freistellungsverpflichtung des Ausbildungsbetriebes

Nach § 15 BBiG sind Auszubildende für den Berufsschulunterricht freizustellen. Freistellen bedeutet, dass der Ausbildungsbetrieb den Auszubildenden während dieser Zeit nicht beschäftigen darf. Die bisher geltende Unterscheidung zwischen minderjährigen und volljährigen Auszubildenden bei der Freistellung für den Berufsschulunterricht besteht ab dem 01.01.2020 nicht mehr. Für beide Azubigruppen gilt die gleichlautende Regelung, die sich für Minderjährige aus § 9 JArbSchG, für Erwachsene aus dem neu geschaffenen § 15 BBiG ergibt.

Auch wenn die Erledigung im Betrieb anfallender Arbeiten noch so dringlich sein mag - der Ausbildungsbetrieb hat grundsätzlich keinen Rechtsanspruch darauf, eine Beurlaubung seines Auszubildenden von der Berufsschule zu erreichen.



Freistellung für virtuellen Unterricht

Die Freistellungsverpflichtung umfasst auch Maßnahmen des Fernlernunterrichts (virtueller Unterricht z. B. per Videokonferenz) anstelle von Präsenzunterricht bei Pandemie. Dies kann im Betrieb stattfinden oder falls dies nicht möglich ist im „Homeoffice“. Die Freistellungspflicht ist die von der Berufsschule für den virtuellen Unterricht veranschlagte Zeit inklusive der Pausen.



Verstoß gegen die Freistellungspflicht

Stellt der Ausbildungsbetrieb den/die Auszubildenden nicht gem. § 15 BBiG für den Besuch des Berufsschulunterrichtes frei, verstößt er gleich mehrfach gegen gesetzliche und vertragliche Vorschriften.

Die Ordnungswidrigkeit oder ggfls. Straftat kann gem. § 101 Abs. 1 Nr. 4 BBiG, § 58 Abs. 1 Nr. 6 JArbSchG mit einer Geldbuße bis zu 5.000,- Euro oder einer Geldstrafe (bei Vorsatz) bis zu 15.000,- Euro geahndet werden.

Im Wiederholungsfall kann dem Ausbildungsbetrieb außerdem durch die nach Landesrecht zuständige Stelle (in der Regel die Kammer) die Ausbildungsbefugnis entzogen werden (§ 24 HwO).

Der Auszubildende, der entgegen der betrieblichen Verpflichtung nicht für den Besuch der Berufsschule freigestellt wird, ist dennoch berechtigt, "eigenmächtig" am Unterricht teilzunehmen. Der Ausbildungsbetrieb ist nicht berechtigt, ihn deshalb abzumahnen, zu kündigen oder hierfür einen Tag Urlaub abzuziehen.



Beschäftigung vor Berufsschulbeginn

Auszubildende (minderjährige wie volljährige) dürfen weiterhin nicht vor einem um 9 Uhr beginnenden Berufsschulunterricht beschäftigt werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 JArbSchG).

Beschäftigung nach Berufsschulende

Künftig sind alle Auszubildenden an einem Berufsschultag mit mehr als 5 Unterrichtsstunden von mindestens je 45 Minuten, einmal in der Woche, von der Ausbildung im Betrieb freizustellen sowie in Berufsschulwochen mit einem planmäßigen Blockunterricht von mindestens 25 Stunden (an mindestens 5 Tagen).

 

Erledigung von Hausaufgaben

Der Auszubildende hat keinen Anspruch darauf, für die Erledigung von Hausaufgaben freigestellt zu werden. Hausaufgaben hat der Auszubildende grundsätzlich außerhalb der Ausbildungszeit zu fertigen.



Anrechnung der Berufsschulzeit auf die betriebliche Ausbildungszeit 

Die Berufsschulunterrichtszeit gehört grundsätzlich zur Ausbildung und ist daher auf die betriebliche Ausbildungszeit einschließlich der Pausen anzurechnen.

Hinweis:

Ab dem 1. August 2024 ist die Wegezeit von der Berufsschule zum Betrieb auf die Arbeitszeit wieder anzurechnen  (§ 15 Abs. 2 Nummer 1 BBiG).


Anrechnung bei allen Auszubildenden

  • An einem Berufsschultag mit mehr als 5 Unterrichtsstunden je 45 Minuten, einmal in der Woche. Der Berufsschulbesuch ist dann mit der durchschnittlichen täglichen Ausbildungszeit und den notwendigen Wegezeiten anzurechnen.

Beispiel A:

Die betriebliche Ausbildungszeit beträgt Montag bis Donnerstag 7 Std. 30 Minuten, Freitag nur 6 Stunden.

Die durchschnittliche tägliche Ausbildungszeit beträgt daher 7 Std. 12 Minuten.

Der Azubi muss freitags zur Berufsschule, diese dauert 6 Unterrichtsstunden á 45 Minuten.

Der Berufsschulbesuch ist also mit 7 Std. 12 Minuten anzurechnen, auch wenn die freitägliche betriebliche Ausbildungszeit nur 6 Stunden beträgt. Der Auszubildende hat also einen „überschießenden“ Freistellungsanspruch an den anderen Tagen von insgesamt 1 Std. 12 Minuten.



Beispiel B:

Der über 5-stündige Berufsschultag ist montags. Montags wird im Ausbildungsbetrieb nicht gearbeitet. Die wöchentliche Ausbildungszeit beträgt 40 Stunden (Dienstag bis Samstag jeweils 8 Stunden).

Der Berufsschultag ist mit 8 Stunden anzurechnen, auch wenn der Berufsschultag außerhalb der Ausbildungszeit liegt.

Der Azubi kann also nur noch 32 Stunden im Betrieb ausgebildet werden.



  • Ein zweiter Berufsschultag in der Woche wird mit der tatsächlichen Unterrichtszeit plus Pausen und Wegezeit angerechnet.

Beispiel:

Der Berufsschulbesuch dauert 5 Unterrichtsstunden á 45 Minuten.

Er beginnt um 8.00 Uhr und endet um 12:25 Uhr (= 4:25 h).

Die Berufsschulzeit ist damit mit 4:25 h auf die Ausbildungszeit plus der notwendigen Wegezeit anzurechnen.



Sind in einer Woche zwei Berufsschultage mit jeweils mehr als 5 Unterrichtsstunden, ist der Azubi verpflichtet an einem der beiden Tage wieder in den Betrieb zurückzukehren - an welchem der beiden Tage, bestimmt der Ausbildungsbetrieb.



  • In Berufsschulwochen mit einem planmäßigen Blockunterricht von mindestens 25 Stunden an mindestens fünf Tagen. Der Berufsschulunterricht ist dann mit der durchschnittlichen wöchentlichen Ausbildungszeit anzurechnen. Eine Beschäftigung des Azubis in dieser Woche ist damit grundsätzlich ausgeschlossen.

Es sind aber zusätzliche betriebliche Ausbildungsveranstaltungen bis zu zwei Stunden wöchentlich zulässig.

Hinweis: Bei der Anrechnung ist zu beachten, dass die bisherige pauschale Anrechnung von Berufsschultagen mit 8 Stunden und von Blockbeschulung mit 40 Stunden nicht mehr erfolgt. Auch für Minderjährige ist an Berufsschultagen mit mehr als fünf Unterrichtsstunden, einmal in der Woche, die durchschnittliche tägliche Ausbildungszeit und in Berufsschulwochen mit mindestens 25 Stunden Blockunterricht an mindestens fünf Tagen, die durchschnittliche wöchentliche Ausbildungszeit anzurechnen.



Lernort Berufsschule

In der Berufsschule werden neben den fachtheoretischen Fächern auch die allgemeinkundlichen Fächer Deutsch, Religion, Wirtschafts- und Sozialkunde und Sport unterrichtet. Der allgemeinkundliche Unterricht dient im modernen Berufsschulunterricht u.a. dazu,

  • den sprachlichen Umgang mit den Kunden (Deutsch),
  • Arbeits- und Sozialethik (Religion),
  • Grundkenntnisse wirtschaftlichen Handelns (WiSo) sowie
  • den präventiven Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (Sport) zu vermitteln.

Grundsätzlich gilt, dass bei der Organisation des Unterrichts die Bedürfnisse der Ausbildungsbetriebe berücksichtigt werden. Da jedoch nicht jeder einzelne Betrieb mit der Berufsschule Abstimmungsgespräche führen kann, sollte sich der Betriebsinhaber an die jeweils zuständige Kreishandwerkerschaft/Innung oder Kammer wenden. Diese werden dann gegenüber der Berufsschule die Interessen der Betriebe bezgl. der organisatorischen und inhaltlichen Ausrichtung des Berufsschulunterrichts vertreten.