Den digitalen Wandel in der Arbeitswelt nutzen. Ja, aber wie? Im neuen Blog geht ZDH- und Kammerpräsident Hans Peter Wollseifer dieser aktuellen Frage nach. Mit Bundeskanzlerin Merkel diskutierten die Spitzenvertreter der Wirtschaft, wie sich die Arbeitswelt in Zukunft verändern wird. Wollseifer: "Digitalisierung hat im Handwerk schon längst Einzug gehalten". Wie das Handwerk zur Lösung des Fachkräftemangels beiträgt und wie Nachwuchsförderung am besten schon in der Schule funktioniert, lesen Sie im neuen Blog.Blog von Hans Peter Wollseifer (10)
Liebe Mitgliedsbetriebe,
Abschlusszeugnis, Ferien und dann? "Mach erst mal eine Lehre, da hast du wenigstens etwas Sicheres." Das waren die Worte unserer Eltern. Damals. Jetzt sagen Eltern: Mach mal Abi. Ich sage: Abitur ist nicht alles. Leider hält auch die Politik noch zu oft eine akademische Bildung für den alleinigen Königsweg. Es ist bedauerlich zu sehen, dass die berufliche Bildung und ihre Möglichkeiten in der Gesellschaft nicht die Wertschätzung erhalten, die sie verdienen. Dabei sind gut ausgebildete Fachkräfte das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Wir brauchen nicht nur Ingenieure, Architekten und Wissenschaftler.
Erfolgsfaktor Duale Ausbildung in der Krise?
Um unsere duale Ausbildung beneiden uns viele andere Länder. Sie gilt als ein Schlüssel für den Erfolg des deutschen Wirtschaftsmodells. Auch deshalb ist die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland so niedrig wie nirgendwo anders in Europa. Und doch: wir müssen umdenken. Es gibt es weniger junge Leute, die ins Handwerk wollen. 2014 sind 20.000 Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben, 2015 wird es nicht anders sein.
Generation Y im Handwerk
Unsere Kammer veranstaltet und beteiligt sich jedes Jahr an über 100 Ausbildungsbörsen. Und trotzdem: immer mehr junge Leute haben keine Lust auf eine Lehre. In der Generation Y, bei den heute 15- bis 30-Jährigen, hat sich etwas grundlegend verändert. Es hat etwas mit dem Zeitgeist zu tun, wie junge Leute von heute ihr Leben und ihren Werdegang gestalten wollen. Schon früh auf einen Beruf festlegen, das gefällt vielen nicht. Die Folge: die Jugend drängelt sich in überfüllten Hörsälen, statt in Betrieben und Werkstätten einen gutbezahlten Beruf zu erlernen.
Mangelware Lehrling
Wer kann, der studiert also. Das hat Folgen: Vor allem dem Mittelstand droht, der Fachkräfte-Nachwuchs wegzubrechen. Immer mehr Jugendliche glauben, dass eine Lehre im Handwerk sie für die Anforderungen der digitalen Welt nicht fit macht. Das stimmt nicht. Der Auszubildende der Zukunft ist der Azubi 4.0, ein Lehrling in modernen und innovativen Handwerksbetrieben. Die duale Ausbildung ist genauso interessant und attraktiv wie ein akademischer Karriereweg. Gerade haben wir in Köln das neue Technologie – Bildungszentrum für Energieeffizienz und Barrierefreiheit in Gebäuden, kurz TBZ, am Butzweiler Hof eröffnet. Dort werden nach modernstem Standard europäische Solartechniker, Gebäudeenergieberater und Servicetechniker für Windkraftanlagen geschult.
Machen wir Ausbildung zur Chefsache
Schauen wir uns die Lebenswelt der Nachwuchskräfte doch mal an: Wenn es um ihre berufliche Zukunft geht, sind den jungen Leuten von heute weiche Faktoren wie Spaß an der Arbeit und eine gute Vereinbarkeit mit dem Privatleben und der Familie wichtig. Wichtiger sogar als die Höhe des Einkommens. Sie achten bei der Auswahl des Arbeitgebers auf ein gutes Verhältnis zum Chef und zu den Kollegen. Auf solche weichen Faktoren sollten wir Betriebe stärker setzen. Das steigert die Attraktivität der Ausbildung. Und informieren! Umfragen zeigen, dass sich viele Schüler bei der Berufswahl schlecht informiert fühlen. Kein Wunder bei über 350 Ausbildungsberufen. Wir sollten Azubis als Ausbildungsbotschafter in die Schulen schicken. Dort können sie ihre Berufe vorstellen und versuchen, die Schüler für eine Lehre im Handwerk zu begeistern. So wie in den Videoclips unserer Imagekampagne in den sozialen Netzwerken. Die enden immer mit einer positiven Botschaft und zeigen wie Handwerk von heute ist: nämlich hochinnovativ und hochtechnisiert. In unserem Kammerbezirk wird der Trend bereits umgesetzt. Viele Betriebe stellen jetzt viele Berufserkundungsplätze den Schülern zur Verfügung. Viele Dank für Ihre Unterstützung. Wir brauchen aber noch mehr. Machen Sie unsere Jugend neugierig auf Ihr Handwerk!
Arbeitswelt verändert sich
Früher ging es mit Zollstock und Aufmaß auf die Baustelle - heute kommen Laser und Laptop zum Einsatz, dazu noch eine passende App. Das ist keine Zukunftsmusik, das ist die neue Arbeitswelt. Im Handwerk hat die Digitalisierung schon längst Einzug gehalten. Beim letzten Treffen mit der Kanzlerin zeigte ich an konkreten Beispielen, wie weit die Digitalisierung im Handwerk schon fortgeschritten ist. Auf Schloss Meseberg diskutieren jedes Jahr Spitzenvertreter der Wirtschaft zusammen mit der Bundesregierung über Zukunftsthemen. Dieses Mal: Welche Folgen hat die Digitalisierung für die Arbeitswelt und die Qualifizierung. Für den Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist klar: Roboter lösen unser Fachkräfteproblem. Sie werden die Arbeit des Menschen ersetzen. Soweit würde ich nicht gehen. Mein Plan: Das Handwerk wird die Fachkräfte von morgen qualifizieren! In der neuen digitalen Arbeitswelt geht es auch um Qualitätsarbeitsplätze, deshalb werden Aus- und Weiterbildung noch wichtiger sein, als sie heute schon sind. Von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka erwarte ich da Unterstützung auch fürs Handwerk. Denn Qualifizierung ist in erster Linie eine Kostenfrage. Wir brauchen Fördermittel für unsere 530 Bildungsstätten, in denen wir die Fachkräfte für die Digitalisierung auf höchstem Niveau ausbilden. Geld vom Bund darf nicht immer nur in die Hochschulen fließen. Das gefährdet auf Dauer den Stellenwert von Bildung im Handwerk. Eine Karriere im Handwerk muss dieselbe gesellschaftliche Wertschätzung erfahren, wie eine akademische Laufbahn.
Digitalisierung als Chance
Es ist schon besorgniserregend, dass 70 Prozent der mittelständischen Unternehmen in einer Umfrage Digitalisierung nicht als wichtiges Thema bezeichneten. Ich verstehe, dass die meisten Betriebe es sich nicht leisten können, einen Arbeitsstab zu finanzieren, der sich ausschließlich mit Digitalisierung beschäftigt. Hilfestellung kommt vom Bund: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sicherte mir zu, dass eines der geplanten fünf Kompetenzzentren für die Digitalisierung ans Handwerk geht. Dort sollen sich kleine und mittlere Unternehmen über neue Marktmöglichkeiten durch eine IT-basierte Produktion und Dienstleistungen informieren können. Idealerweise stelle ich mir dieses Zentrum in Köln vor, denn hier arbeiten wir schon mit Hochdruck an unserer digitalen Agenda Handwerk 4.0.
Eins ist klar: die Digitalisierung verändert fast alle Arbeitsplätze. Das darf uns keine Angst machen. Es ist eine große Chance, die wir nutzen müssen. Denn es ist diese große Bandbreite des Handwerks zwischen Hightech und individueller Maßfertigung, die unsere Stärke ausmacht – analog wie digital.
Wie denken Sie darüber? Ich freue mich über Ihre Anregungen, schreiben Sie mir unter wollseifer-blog@hwk-koeln.de
Ich freue mich auf Ihre Post und bald auf ein paar freie Tage mit meiner Familie. Ihnen wünsche ich ebenfalls erholsame Ferien.
Herzlichst Ihr
Hans Peter Wollseifer