Warum in Berlin alles auf den Kopf gestellt wird: Das überraschende Aus für Steueranreize bei der Gebäudesanierung. Das Tauziehen um Handwerkerbonus ist beendet: er bleibt! Zunächst gestoppt: Arbeitsstätten-Verordnung. Bürokratiemonster Mindestlohn auf Prüfstand. Handwerk 4.0: erfolgreich gestartet. Neuer Bildungsweg: Gesellenbrief und Abitur im Paket.Blog von Hans Peter Wollseifer (7)
Liebe Mitgliedsbetriebe,
„Mer stellen alles op der Kopp“, das Motto der nächsten Kölner Karnevalssession wird in Berlin schon jetzt umgesetzt. Dort stellen sie wahrhaftig alles auf den Kopf, und das ist kein Grund zur Freude. Im Gegenteil.
Aus für Steuerbonus bei Gebäudesanierung
Mit großem Unverständnis habe ich auf die Nachricht reagiert, dass im Koalitionsausschuss nun doch keine Einigung zur steuerlichen Förderung von energetischen Gebäudesanierungen zu Stande kam. Damit bringt die Bundesregierung ihre ehrgeizigen Klimaschutzziele gehörig ins Wanken. Das klang im Dezember alles noch ganz anders. Da hieß es: „Steuerlicher Anreiz für Gebäudesanierung kommt. Handwerkerbonus steht nicht zur Disposition“. Und dann ging’s los: Einige Bundesländer bestanden darauf, finanzielles Engagement für den Klimaschutz durch Kürzungen an anderer Stelle im Haushalt gegen zu finanzieren. Und zwar beim Handwerkerbonus. Dieser ist ein wirkungsvolles Instrument gegen Schwarzarbeit und ist für uns unverzichtbar. Jetzt ist die steuerliche Abschreibung der Gebäudesanierung gescheitert. Der Handwerkerbonus bleibt dagegen unangetastet. Dann lieber keine Regelung, als eine, die Mist ist.
Arbeitsstätten-Verordnung auf Eis gelegt
Immerhin konnten wir weitere Belastungen zunächst stoppen. Die neue Arbeitsstätten-Verordnung von Bundesministerin Andrea Nahles. Sie sah unter anderem Fenster für alle Pausen- und Bereitschaftsräume vor. Ich mahnte an, dass ein Teil der Betriebe schlicht an der Auflage scheitern werde, alle Pausenräume mit Fenstern auszustatten. Die Qualität eines Arbeitsplatzes bemisst sich nicht an der Frage, ob Toilette und Teeküche ein Fenster haben. Da spielen ganz andere Faktoren eine Rolle.
Mindestlohn auf dem Prüfstand
Unter einem Bürokratie-Monster leide ich allerdings auch als Unternehmer: Die absurden Dokumentationspflichten von Arbeitszeiten seit Einführung des Mindestlohns. Gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen klagen seit 2 Monaten über den Bürokratieunsinn. Manchmal ist es einfach nicht möglich, unregelmäßige Arbeitszeiten, beispielsweise bei einem Hausmeister zu erfassen. Und das hat nichts mit Gaunereien der Arbeitgeber zutun, wie eine Politikerin unverschämter Weise behauptete. Unser Signal ist in Berlin aber angekommen: Zunächst sollen die problematischen Bereiche für Arbeitgeber aufgelistet werden. Nach Ostern soll es dann zu einer gemeinsamen Bewertung kommen. Wir vom Handwerk drängen bei der Kanzlerin auf schnelle Änderungen dieses Bürokratiemonsters. Hilfreich wäre es, wenn Sie mir dazu noch Ihre Erfahrungen mitteilen könnten. Schreiben Sie mir wollseifer-blog@hwk-koeln.de
Start für digitales Handwerk
Nicht elektronisch, sondern auf ganz klassischem Wege bekam ich Post von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Ein persönliches Schreiben zum Thema: „Digitaler Aufbruch in NRW“. Klingt doch dynamisch, dachte ich mir. Da will die Landesregierung schnelles Internet in den kommenden Jahren möglichst flächendeckend für private Haushalte und Gewerbetreibende. Gut gesagt, aber wie passt da die Investitionssumme von 70 Millionen Euro ? Zum Vergleich: Bayern investiert 2 Milliarden Euro in den Breitbandausbau! Ich habe große Zweifel, wie unter den Voraussetzungen NRW im internationalen und nationalen Wettbewerb bestehen will. Aufbruch sieht für mich anders aus. Bis heute sind viele Regionen in NRW von einer modernen Breitbandversorgung abgeschnitten. Keine oder langsame Internetzugänge bedeuten, dass für Handwerksbetriebe die Grundlagen für den digitalen Wandel fehlen. Wir unterstützen natürlich die Landesregierung mit hilfreichen Anregungen und wir setzen uns weiter für die Interessen unserer Mitgliedsbetriebe ein. So haben wir jetzt für die Kölner Kammer einen Fahrplan für eine Digitale Strategie aufgestellt. Mit „Handwerk 4.0“ soll die gesamte Handwerkswirtschaft mitgenommen werden. Noch stehen viele Betriebe der digitalen Transformation in der Arbeitswelt eher skeptisch gegenüber. Wir sollten aber nicht nur die Risiken sehen, sondern auch die Chancen. Schreiben Sie mir, wie Sie sich die digitale Zukunft im Handwerk vorstellen unter wollseifer-blog@hwk-koeln.de
Wie innovativ und modern das Handwerk schon ausgerichtet ist, davon konnte sich jetzt auch NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze bei ihrem Besuch in drei Handwerksbetrieben überzeugen. Und die Ministerin war sichtlich beeindruckt, was heute schon alles im Handwerk technisch und durch digitale Prozesse möglich ist. Innovation und Handwerk gehören einfach zusammen. Leider hängt das Bild vom tütteligen Schreinermeister Eder vielen Betrieben bis heute an. Deshalb ist es umso wichtiger zu zeigen, wie modern und kreativ die Handwerkswirtschaft ist. Und wie attraktiv eine Ausbildung im Handwerk sein kann.
Gesellenbrief und Abitur im Paket
Was wurde nicht schon viel darüber debattiert, wie Schulabgänger für eine Lehre begeistert werden können. Jeder zweite Schüler wechselt inzwischen nach der Grundschule aufs Gymnasium. Künftig werden immer mehr Schulabgänger studieren, immer weniger eine Berufsausbildung anstreben, so die Prognosen. Um die duale Ausbildung für diese Zielgruppe attraktiver zu machen, habe ich vorgeschlagen, künftig Ausbildung und Abitur im Paket anzubieten. Das neue Konzept soll die Lehre attraktiver machen, vor allem für leistungsstarke Schüler. Sie könnten Gesellenabschluss und Abitur im Doppelpack machen. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Dazu brauchen wir ein duales Gymnasium in allen 16 Bundesländern. In Österreich und der Schweiz gibt es seit einigen Jahren die Möglichkeit, Abiturvorbereitung und Berufsausbildung parallel zu absolvieren. Um entsprechende Reformen an unseren Berufsschulen zu ermöglichen, werde ich schon bald das Gespräch mit den Schulministern suchen. Auf positive Resonanz bin ich mit meinem Vorschlag bereits in Baden-Württemberg, Bayern und Brandenburg gestoßen. Ich weiß aber auch, dass es noch ein langer Weg ist bis mein Herzenswunsch in Erfüllung geht: dass Lehre und Studium gleichwertig anerkannt werden in unserer Gesellschaft.
In diesem Sinne grüßt Sie herzlich
Ihr Hans Peter Wollseifer