EuGH-Urteil zum Verbraucher- Widerrufsrecht: Ohne Belehrung kein Vergütungsanspruch

Mal eben beim Kunden vor Ort einen Vertrag abschließen und sofort mit der Arbeit anfangen? Nicht immer eine gute Idee! Jedenfalls dann nicht, wenn die Regeln zum Verbraucher-Widerrufsrecht nicht beachtet werden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stärkt in einem neuen Urteil erneut die Verbraucherrechte und hatte jüngst klargestellt, dass der Kunde nach einem Widerruf ohne vorherige Belehrung keinen Wertersatz zu leisten hat. Trotz  vollständig und fachgerecht erbrachter  Leistung geht damit ein Werkunternehmer schlimmstenfalls  „leer“ aus und bekommt weder Lohn- noch Wertersatz. Da das Widerrufsrecht auf einer europäischen Richtlinie basiert, ist der EuGH für die Auslegung dieser Richtlinie verantwortlich und bindet insoweit auch die jeweiligen nationalen, also auch die deutschen Gerichte.

Zum Hintergrund:

Bereits seit vielen Jahren (seit 2014)  gelten für  Verträge mit Verbrauchern, die nicht in  den Geschäftsräumen   des Unternehmens abgeschlossen werden,  besondere EU-Regeln. So steht  einem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu, wenn Handwerker mit Verbrauchern unter gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit außerhalb ihrer eigenen Geschäftsräume, also z.B. beim Kunden auf der Baustelle oder aber ausschließlich im Wege des sog. Fernabsatzes, d.h., z.B.   per  Telefon, E-Mail oder außerhalb ihrer Geschäftsräume Verträge schließen. Hierrüber muss der Unternehmer bei Vertragsschluss aufklären, ansonsten kann er den Anspruch auf Bezahlung oder Wertersatz verlieren, wenn der Kunde später von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht und der Vertrag nicht unter die gesetzlichen Ausnahmetatbestände fällt.  

Hier sind die  wichtigsten Grundregeln, die sich jeder Werkunternehmer merken sollte:

  • Erfolgt ein Vertragsschluss außerhalb der Geschäftsräume direkt vor Ort beim Kunden oder auf einer Baustelle, dann steht dem Kunden grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu, über das dieser zu belehren ist (siehe  Muster  Widerrufsbelehrung u. Musterwiderrufsformular).

 

  • Werden für die Vertragsanbahnung und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel wie Telefon, E-Mail oder Brief genutzt, handelt es sich um einen sog. Fernabsatzvertrag und dem Kunden steht grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu, über das er zu belehren ist.

 

  • Wichtig:

Wird der Kunde zunächst für eine Ortsbesichtigung  oder für ein Aufmaß auf der Baustelle oder zu Hause aufgesucht und erfolgt der Vertragsschluss dann erst im Nachgang des Kundenbesuchs per Telefon, E-Mail oder per Post, steht dem Kunden kein Widerrufsrecht zu!

 

Ausnahmen vom Widerrufsrecht:

Das Gesetz sieht einige Ausnahmefälle vor, in denen dem Verbraucher kein Widerrufsrecht zusteht.

 

  • Kein Widerrufsrecht des Verbrauchers besteht u.a. bei Verträgen über die Lieferung von kundenspezifischer Ware, d.h. nicht vorgefertigte Ware oder deren Herstellung individuell auf die Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind;
  • Kein Widerrufsrecht besteht bei dringenden Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten zu deren Erledigung der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat (Wichtig: Erfasst werden nur tatsächliche Notfälle, wie z.B. Rohrbrüche , bei denen der Verbraucher auf die umgehende Wiederherstellung angewiesen ist)
  • Kein Widerrufsrecht besteht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, wenn diese nach der Lieferung auf Grund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden (z.B. Werkmaterialien und Baustoffe) oder für Waren, die schnell verderben können (z.B. Torten, Fleisch- u. Wurstwaren);
  • In der Praxis sehr relevant: Dem Kunden steht außerdem kein Widerrufsrecht zu, wenn der Unternehmer die Leistung vollständig erbracht hat. Diese Ausnahme setzt allerdings voraus, dass der Verbraucher vor Vertragsschluss und Leistungsbeginn ausdrücklich bestätigt, dass der Unternehmer vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Leistung beginnen darf ( Muster Verbrauchererklärung)

Wird ein  Kauf- oder Werkvertrag geschlossen und greift keine der zuvor beschriebenen Ausnahmen, hat der Verbraucher ein 14-tägiges Widerrufsrecht, das bei Werkverträgen  mit Vertragsschluss und bei Kaufverträgen mit Übergabe der Ware  beginnt. Verbraucher können sich durch Einlegung des Widerspruchs  ohne Angaben von Gründen vom Vertrag lösen.

Versäumt der Unternehmer, den Verbraucher über das Widerrufsrecht zu informieren oder informiert er fehlerhaft, verlängert sich das Widerrufsrecht auf 12 Monate. Das Widerrufsrecht erlischt damit erst spätestens nach 12 Monaten und 14 Tagen.

Neben der Widerrufsbelehrung muss dem Kunden auch ein Musterwiderrufsformular übergeben werden. Soll vor Ablauf der Widerrufsfrist mit den Arbeiten begonnen werden, sollten sich Handwerksunternehmen -wie oben dargestellt- eine entsprechende Erklärung des Verbrauchers einholen.

Praxistipps für die Abwicklung:

  • Bei Vor-Ort-Terminen mit privaten Kunden (Verbraucher) jeweils ein paar Exemplare einer Widerrufsbelehrung  und ein Musterwiderrufsformular (Muster 1 und Muster 2) mitnehmen.

 

  • Kommt ein Vertragsschluss vor Ort zustande und liegt keiner der o.g. Ausnahmen vom Widerrufsrecht vor, dann 2 Exemplare der Widerrufsbelehrung unterschreiben lassen (ein unterschriebenes Exemplar zum Nachweis behalten)  und ein Musterwiderrufsformular an den Kunden übergeben. Dann bezüglich des Beginns der Arbeiten den Ablauf der Widerrufsfrist abwarten.

 

  • Kommt ein Vertragsschluss vor Ort zustande und möchte der Kunde, dass die Arbeiten vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnen, unbedingt die Erklärung (Verbrauchererklärung Muster 3) unterschreiben lassen, mit der der Kunde bestätigt, dass er den vorzeitigen Beginn der Arbeiten ausdrücklich verlangt hat (Muster 3).

 

Schönewald Tom Zygmann / zygtografie

Sabine Schönewald

Hauptabteilungsleiterin

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