EuropawahlEuropadialog von WHKT und HWK Köln mit vier Abgeordneten...
... Vor allem beim Thema Bürokratie drückt im Handwerk der Schuh
Um die Bedeutung von Europa für das Handwerk ging es bei einer Dialogveranstaltung des Westdeutschen Handwerkskammertags (WHKT) in Kooperation mit der Handwerkskammer (HWK) zu Köln. Vier Mitglieder des Europaparlaments gaben interessante Einblicke.
Was bedeuten auf EU-Ebene getroffene Entscheidungen für Handwerksbetriebe? Und was erwarten die Betriebe von Europa? Um diese und viele weitere Fragen ging es am Mittwochabend (29. Mai) bei einem Europadialog unter dem Titel „Für ein starkes Handwerk in der EU“, zu dem der WHKT und die HWK gemeinsam in die Kölner Kammer eingeladen hatten. Anderthalb Wochen vor der Europawahl am 9. Juni nutzten zahlreiche Unternehmerinnen und Unternehmer die Gelegenheit, sich aus erster Hand zu informieren. Denn WHKT-Präsident Berthold Schröder und HWK-Präsident Hans Peter Wollseifer begrüßten auf dem Podium gleich vier Mitglieder des Europaparlaments: Daniel Freund (Grüne/Greens), Moritz Körner (FDP/ALDE), Birgit Sippel (SPD/S&D) und Axel Voss (CDU/EVP).
Im Handwerk gebe es eine positive Grundeinstellung zu Europa, sagte HWK-Präsident Hans Peter Wollseifer in einem einführenden Grußwort: "Die meisten Handwerkerinnen und Handwerker sind starke Befürworter des europäischen Gedankens, der europäischen Werte und damit der Europäischen Union. Dennoch kommt bei ihnen Frust auf, da sie das Handwerk in der EU nicht ausreichend berücksichtigt sehen. Diese Annahme wird durch Gesetzgebungen wie die geplante – und seit letztem Freitag auch formal abgeschlossene – Lieferkettenrichtlinie unterfüttert." Für die großen Herausforderungen auf europäischer Ebene brauche es das Handwerk, so Wollseifer: "Die Klimawende ist nur mit dem Handwerk zu schaffen. Die zahlreichen Gesetze, die auf europäischer Ebene im Kontext des Green Deals beschlossen wurden, müssen unsere Betriebe umsetzen. Dafür braucht es aber auch richtige und faire Voraussetzungen. Wir benötigen nicht noch mehr Bürokratie in Form von Dokumentations- und Nachweispflichten, die in der Regel nie nur bei den großen Konzernen hängen bleiben, sondern auch von den kleinen und mittelständischen Betrieben umgesetzt werden müssen."
In einer Bestandsaufnahme zum Thema "Europas Zukunft mit dem Handwerk meistern" hielt Tim Krögel, Leiter der EU-Vertretung des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), unter anderem fest: "Die EU kann sich nicht um alles kümmern." Es sei wichtig, dass sie bei zentralen Themen wie dem Klimaschutz die Führung übernehme – vieles werde aber in einer Breite und Detailtiefe angegangen, die die Gesellschaft überforderten. "Es wird – auch für Betriebe – nicht mehr deutlich, wo die Prioritäten liegen." Das umstrittene europäische Lieferkettengesetz hätte laut Krögel nicht mehr in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden müssen und in der nächsten Legislaturperiode zu einem besseren Ergebnis geführt.
Wenig Positives für das Handwerk herausgekommen
Kölns HWK-Präsident Hans Peter Wollseifer und WHKT-Präsident Berthold Schröder, zugleich auch Präsident der HWK Dortmund, diskutierten in zwei Runden mit den vier Europaabgeordneten: zunächst über europäische Entscheidungen der vergangenen fünf Jahre, anschließend über Schwerpunkte der EU für den Zeitraum 2024 bis 2029.
Auf die Frage von Moderatorin Kathrin Post-Isenberg nach wichtigen EU-Entscheidungen für das Handwerk in der ablaufenden Legislaturperiode waren sich die Abgeordneten weitgehend einig: Viele Gesetze hätten Auswirkungen auf das Handwerk – für dieses sei aber wenig uneingeschränkt Positives herausgekommen. Moritz Körner (FDP/ALDE): "Der Fokus muss jetzt darauf liegen, dass wir in der EU über Entbürokratisierung reden." EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe zwar angekündigt, 25 Prozent der Berichtspflichten für Firmen abschaffen zu wollen – ihre Kommission sei aber erst noch dabei, zu ermitteln, wie viele dieser Berichtspflichten überhaupt bestehen. Die Kommission habe es auch in vielen Fällen versäumt, eine Folgenabschätzung ihrer Gesetze zu machen, ergänzte Birgit Sippel (SPD/S&D). Und: "Es braucht eine bessere Koordination der einzelnen EU-Kommissare." Axel Voss (CDU/EVP) ließ die Kritik in Richtung der Kommissionspräsidentin nicht so stehen und sagte seinerseits: "Das Parlament schafft es immer wieder, alles zu verkomplizieren."
Bürokratie war eines der Hauptthemen der Diskussion und für die Gäste im Saal. Bei einer spontanen Online-Abstimmung via QR-Code danach gefragt, was sie von der EU in den kommenden Jahren erwarten, nannten die Gäste vor Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Pragmatismus den Bürokratieabbau. Berechtigte Forderungen nach Bürokratieabbau dürfe man jedoch nicht mit der Abschaffung wichtiger Regeln gleichsetzen, sagte Daniel Freund (Grüne/Greens): "Vorsichtig sind wir da, wo es unter Bürokratieabbau um die Absenkung von Umweltstandards oder den Abbau von Arbeitnehmerrechten geht." In anderen Ländern werde die Bürokratiebelastung als weniger hoch empfunden, da sie bei der Digitalisierung wesentlich weiter seien, sagte Birgit Sippel: "Da haben wir in Deutschland noch ein Riesenpotenzial, das auch den Betrieben hilft."
Ausreichend Gelegenheit für Fragen aus dem Publikum an die Abgeordneten
Aus Sicht von Hans Peter Wollseifer ist in der nächsten Legislaturperiode des Europaparlaments für das Handwerk wichtig, "dass wir gehört werden und dass bei der Entstehung von Gesetzen Praktiker zu Wort kommen". Berthold Schröder: "In der EU läuft eine Normungsmaschinerie, die auch ihr Gutes hat – beispielsweise bei einheitlichen Steckern. Aber es ist wichtig, dass das Handwerk dabei nicht untergebügelt wird." Gegen die Lobbyarbeit der großen Unternehmen komme man kaum an – das Handwerk benötige die Unterstützung der EU.
Auch die Gäste im Publikum hatten ausreichend Gelegenheit für Fragen an die Abgeordneten. Sie erkundigten sich etwa, wo die Abgeordneten fachliche Informationen für Gesetzgebungsverfahren einholen – und forderten gleich ein, beim Beschließen von Gesetzen deren (technische) Umsetzbarkeit besser mitzudenken. Einige der anwesenden Handwerkerinnen und Handwerker machten auch ihrem Unmut über das Lieferkettengesetz Luft.
Bei ihren Schwerpunkten für die kommenden fünf Jahre kamen die vier Abgeordneten wieder auf das Thema Bürokratie zu sprechen. "Der Bürokratieabbau ist das oberste Ziel. Und im besten Fall erledigt KI die Berichtspflichten der Betriebe", so Axel Voss. Moritz Körner sagte, es gehe darum, bestehende Gesetze besser zu machen. Und: "Wir brauchen nicht Förderprogramme für wenige, sondern bessere Rahmenbedingungen für alle." Daniel Freund machte deutlich, dass der Klimaschutz ein zentrales Thema der EU bleiben müsse: "So viel wir auch schon geschafft haben, wir sind noch nicht am Ziel und müssen weiter dranbleiben." Birgit Sippel sprach den Nachwuchs- und Fachkräftemangel generell und speziell im Handwerk an, den die EU als wichtige Aufgabe anpacken müsse. Zu allen Themen des Handwerks, um die sich die Politik auf europäischer Ebene kümmern müsse, sagte sie ebenso wie ihre Kollegen: "Kommt mit euren Ideen auf uns zu!"
Axel Voss bat die Handwerkerinnen und Handwerker schließlich ganz grundlegend um ihre Unterstützung für das europäische Projekt: "Es gibt teilweise ein tiefes Misstrauen gegenüber der Politik. Wir dringen nicht mehr überall durch und brauchen Sie als Europa-Botschafter."
Ein Fazit des Europadialogs zog Berthold Schröder: "In der Diskussion ist deutlich geworden, wo in Bezug auf Europa im Handwerk der Schuh drückt – vor allem durch ausufernde Bürokratie. Wir haben das Problem, dass man uns Betrieben an vielen Stellen misstraut und erst einmal unter Generalverdacht stellt. Unsere klare Forderung an die Politik in Europa lautet: Die Dokumentationspflichten müssen reduziert werden – gerade kleine und mittelständische Unternehmen brauchen einen Vertrauensvorschuss für ihren Arbeitsalltag." Abschließend warb Schröder eindringlich für die Europäische Union: Sie stehe für Frieden und Wohlstand und habe die Stärke ihrer Gemeinschaft in den vergangenen Jahren etwa bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen und der Bewältigung des Energieengpasses infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine eindrucksvoll bewiesen. Wie zuvor Voss, appellierte auch Schröder an Handwerkerinnen und Handwerker, die vielen positiven Aspekte Europas vor Augen zu haben und als Europa-Botschafter zu wirken.
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