Gerüstbau: Gerüst darf nicht zu früh abgebaut werden - Vergütungsansprüche bei Bauzeitverlängerung

Ein nicht ungewöhnlicher Fall: Ein Gerüstbauunternehmen erhält von einem öffentlichen Auftraggeber den Zuschlag für Gerüstbauarbeiten und die Vorhaltung des Gerüstes für den Umbau einer Schule. Dem Auftrag lag das Angebot des Unternehmens zugrunde, in dem die Gebrauchsüberlassung des Gerüstes über die Grundeinsatzzeit hinaus mit Einheitspreisen für die ausgeschriebenen Gerüstteile pro Woche angeboten worden war. Im Übrigen sah der Vertrag die Geltung der VOB/B vor. Im Bauablaufplan war der Abbau der Gerüste für die Zeit vom 16. bis 19. Juli 2010 vorgesehen. Kurz vor diesem Termin kündigte das Gerüstbauunternehmen den Abbau der Gerüste an und bat um schriftliche Freigabe oder um Bestätigung des diesem Schreiben beigefügten Nachtrags, der Zulagen zu den verschiedenen Positionen des Leistungsverzeichnisses vorsah, bis spätestens 14. Juli 2010. Der Auftraggeber nahm das Nachtragsangebot nicht an. Die Klägerin baute daraufhin sämtliche Gerüste ab und legte Schlussrechnung mit einem noch offenen Restbetrag in Höhe von 2.161,52 Euro ab. Dieser Betrag war sodann zwischen den Parteien streitig und wurde seitens des Gerüstbauunternehmens klageweise geltend gemacht. Der beklagte Auftraggeber hat mit angeblichen Schadensersatzansprüchen wegen des nach seiner Auffassung vertragswidrigen Gerüstabbaus in Höhe von 3.228,34 Euro aufgerechnet. Zu Recht, wie der Bundesgerichtshof entschied und stellte in seiner Entscheidung Folgendes klar:

1. Das Gerüstbauunternehmen schuldet die Vorhaltung des Gerüstes so lange, wie es für die Bauarbeiten benötigt wird. Denn das im Vertrag angegebene Bauende hat in der Regel nicht den Sinn, den Vorhaltezeitraum zu begrenzen. Ferner sei jedem Einheitspreisvertrag eine Mengenmehrung immanent. Komme es zu einer Zeitüberschreitung und damit zu einer Erhöhung des sog. Mengenvordersatzes, dann komme § 2 Nr. 3 VOB/B zur Anwendung mit der Folge, dass den Vertragspartnern ein Preisanpassungsanspruch zusteht.

2. Das Gerüstbauunternehmen darf die Gerüste nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vorhaltezeit nicht einfach abbauen. Das gelte selbst dann, wenn man für Streitigkeiten, welche die Vorhaltung der Gerüste betreffen, Mietrecht anwendet. Denn für die Frage, wie lange das Gerüstbauunternehmen die Vorhaltung schuldet, komme es allein auf die Auslegung des Vertrags und nicht auf die rechtliche Einordnung des Vertragstyps an.

Als Ausgleich kann das Gerüstbauunternehmen anfallende Mehrkosten über § 2 Nr. 3 VOB/B beanspruchen, so z. B. Kosten für die Anmietung eines weiteren Gerüsts, weil das Vertragsgerüst bereits für die nächste Baustelle eingeplant ist.

(siehe BGH, Urt. v. 11.04.2013 - VII ZR 201/12)

 

03.06.2013, RAin S. Schönewald