Handwerkswirtschaft 4.0: Statt "Industrie 4.0" ist die gesamte mittelständische Wirtschaft gefragt
Positionspapier der Handwerkskammer zur "Handwerkswirtschaft 4.0": Statt der Fixierung auf "Industrie 4.0" muss die gesamte mittelständische Wirtschaft erreicht werden
Zwischenbilanz der "digitalen Offensive" der Handwerkskammer zu Köln: 31 Seminare zu neuen Informations- und Kommunikationstechniken in den letzten drei Jahren
Aufruf an die Kommunen, sich für den beschleunigten Ausbau der Breitbandversorgung einzusetzen
Immer mehr Handwerksunternehmen setzen eine Homepage für die Präsentation ihrer Leistungspalette ein und nutzen Internetforen, die sogenannten social media, um beispielsweise Nachwuchskräfte und Mitarbeiter zu gewinnen. Im Newsletter der Handwerkskammer, der an 12.000 Betriebe verschickt wird, gibt es die Rubrik "Homepage des Monats", im Februar 2015 wird hier die Homepage des Malerbetriebs Borsch aus Alfter (Rhein-Sieg-Kreis) herausgestellt. Dieser Malerbetrieb ist in fünf sozialen Netzwerken vertreten. Um Handwerksbetriebe bei der Erstellung ihrer Homepage und bei der Nutzung der social media zu unterstützen, hat die Handwerkskammer ihre Unternehmensberatung ausgebaut. "Einer unserer kaufmännischen Unternehmensberater, Diplom-Kaufmann Andreas Gerdau, ist auf Kommunikation, social media und Werbung spezialisiert", erläutert der für den Geschäftsbereich Recht und Unternehmensberatung zuständige Geschäftsführer der Handwerkskammer, Jürgen Fritz. 31 Seminare zu den neuen Informations- und Kommunikationstechniken hat die Unternehmensberatung der Kammer in den vergangenen drei Jahren angeboten, auf diese Weise konnten mehr als 500 Handwerker geschult werden. Dieses Angebot wird die Kammer im Laufe dieses Jahres noch ausbauen, für 2015 sind 20 Workshops und Seminare zu den digitalen Medien geplant.
Die Stelle des Unternehmensberaters Gerdau wird von der "Zukunftsinitiative Handwerk" des Landes Nordrhein-Westfalen mitfinanziert. Das Wirtschaftsministerium hat erkannt, dass "die Förderung von Handwerk 4.0 eine erfolgversprechende Wachstumsstrategie für die mittelständische Wirtschaft ist", freut sich der Hauptgeschäftsführer der Kammer, Dr. Ortwin Weltrich, über die Unterstützung aus Düsseldorf. Statt der Fixierung auf "Industrie 4.0" müsse die gesamte mittelständische Wirtschaft in den Prozess der Digitalisierung einbezogen werden. Zugleich kritisiert Weltrich die nordrhein-westfälische Landesregierung, die für den Ausbau des schnellen Internets bis zum Jahr 2020 nur 70 Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung stellen will. Hingegen beabsichtigt Bayern, den Breitbandausbau bis 2018 mit zwei Milliarden Euro zu fördern.
Nach Weltrichs Überzeugung sind bei diesem Thema auch die Kommunen gefordert. Daher hat die Handwerkskammer die drei Oberbürgermeister der Region und die Bürgermeister der 50 kreisangehörigen Städte und Gemeinden angeschrieben, mit dem Appell, "möglichst schnell eine flächendeckende, lückenlose Versorgung der Gewerbebetriebe mit leistungsfähigen Datenleitungen sicherzustellen". Hierzu schlägt die Handwerkskammer vor, dass sich Kommunen bei Verhandlungen mit Internet-Anbietern über den Breitbandausbau zusammenschließen: Den Netzbetreibern sollten die dichter besiedelten und daher von ihnen gewünschten Gebiete nur dann überlassen werden, wenn sie sich gleichzeitig zur Herstellung schneller Internetverbindungen in den weniger dicht besiedelten Gebieten verpflichten. Die Handwerkskammer regt in ihrem 10-Punkte-Katalog zur Digitalisierung der Handwerkswirtschaft zudem an, dass sich die von einer unzureichenden Breitbandversorgung betroffenen Gewerbetreibenden vor Ort zu Aktionsbündnissen zusammenschließen sollten, um Druck auf die Netzbetreiber auszuüben.
Nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in den Verwaltungen verändert die Digitalisierung die Geschäftsabläufe. Beispielsweise stehen in den Gründer- und Servicezentren der Handwerkskammer PCs für die Existenzgründer zur Verfügung, die ihr Gewerbe auf digitaler Basis anmelden wollen. Die dort eingesetzte Software macht es möglich, dass der Existenzgründer mit seiner Eintragung in die Handwerksrolle zugleich die Anmeldung für verschiedene Behörden (Finanzamt, Gewerbeamt, Agentur für Arbeit, Berufsgenossenschaft usw.) vornimmt, das erspart ihm lästige Behördengänge. Zugang zu dieser speziellen Software hat der Existenzgründer über die Internetseiten der Handwerkskammer, daher kann er die verschiedenen Behördenformulare zu Hause am eigenen PC ausfüllen. Zur Beschleunigung und Vereinfachung von Verwaltungsabläufen wäre es sehr erwünscht, dass der Datenaustausch zwischen der Handwerkskammer und den Kommunen bei der jährlich vierstelligen Zahl von Gewerbeanmeldungen und Gewerbeabmeldungen elektronisch erfolgen kann.
Bisher scheitert das an den Unterschieden der EDV-Systeme. Abhilfe will hier ein landesweites Pilotprojekt schaffen, an dem sich die Handwerkskammer zu Köln gerne beteiligen würde. "Die Mitwirkung an diesem Pilotprojekt zum elektronischen Austausch der Gewerbemeldedaten ist uns leider versagt worden, weil unser kommunaler Counterpart - das ist, weil unser Hauptsitz in Köln ist, die Stadt Köln - nicht mitzog". Weltrich bedauert, dass die Stadt Köln nicht die personellen und finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt hat, die für die Teilnahme an diesem Projekt „eGewerbe NRW“ benötigt werden. Auch hinsichtlich des elektronischen Austauschs von Gewerbemeldedaten hat sich die Handwerkskammer an alle 53 Städte und Gemeinden in ihrem Bezirk gewandt und sie um eine Forcierung der elektronischen Kommunikation gebeten. Dies würde sowohl für die Kommunen als auch für die Kammer eine erhebliche Arbeitserleichterung bedeuten.
Während die Digitalisierung der Verwaltung immer mal wieder ins Stocken gerät, ist die Digitalisierung der Verfahren im Zahntechniker-Handwerk weit fortgeschritten. Beispielsweise setzt der Großteil der Dentallabore bereits die Scannertechnologie ein. Die in Köln-Bilderstöckchen ansässige Wallossek Dentaltechnik GmbH arbeitet mit modernster CAD-Dentalkonstruk-tionssoftware. Für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Universität Köln ist Frank Wallossek 2011 mit dem Technologie-Transfer-Preis des Handwerks ausgezeichnet worden. Das Kölner Unternehmen, das 45 Mitarbeiter beschäftigt, hat die Frästechnologie in Kombination mit Ultraschall in die Zahntechnik eingeführt. Aber auch die Fa. Wallossek musste feststellen, dass Fortschritte nur gemeinsam mit den anderen "Playern", beispielsweise den Zahnärzten, möglich sind. Entscheidend ist das schwächste Glied in der Kette und diese ist bei der digitalen Vernetzung nicht kurz.