BundestagswahlKandidaten-Check im Rhein-Erft-Kreis
Was erwartet das Handwerk von der Politik und insbesondere von der nächsten Bundesregierung? Darum ging es bei einem von der Handwerkskammer zu Köln und der Kreishandwerkerschaft Rhein-Erft organisierten Kandidaten-Check mit örtlichen Bundestagskandidaten.
In einem Monat, am 23. Februar 2025, findet die Bundestagswahl statt. Auch im Handwerk wird mit Spannung verfolgt, welche Ideen und Angebote die unterschiedlichen Parteien für die Wirtschaft und speziell für das Handwerk haben. Am Mittwochabend (22. Januar) konnten die Gäste einer gemeinsamen Veranstaltung der Handwerkskammer zu Köln und der Kreishandwerkerschaft Rhein-Erft im BRÜNEO in Brühl fünf Bundestagskandidaten für den Rhein-Erft-Kreis erleben: Mit Aaron Spielmanns (SPD), Dr. Georg Kippels (CDU), Christian Schubert (Grüne), Markus Herbrand (FDP) und Jeremy Jason (AfD) waren es die Kandidaten der Parteien, die bereits in Fraktionsstärke in der zu Ende gehenden Legislaturperiode im Bundestag vertreten sind.
Peter Ropertz, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Rhein-Erft, skizzierte einleitend die Erwartungen des Handwerks an die künftige Bundesregierung: "Das Handwerk – und damit meine ich nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Menschen dahinter – braucht Entlastung." Im Bereich der Sozialversicherung müsse ebenso dringend gehandelt werden wie beim Abbau von Bürokratie. Das Vertrauen des Handwerks in die Politik habe gelitten – das Handwerk erwarte nun konkrete Antworten. Ropertz‘ Bitte für die Podiumsdiskussion: "Auch wenn nicht jede Antwort bequem sein mag: Ehrlichkeit ist die Basis für neues Vertrauen."
Neben den Politikern nahm auch Hans Peter Wollseifer, Präsident der Handwerkskammer zu Köln, an der von Kathrin Post-Isenberg moderierten Runde teil. In mehreren Themenblöcken wie "Belastung durch Steuern und Abgaben", "Fachkräftemangel im Handwerk" oder "Bürokratieabbau und Digitalisierung" ging es betont sachlich und vielfach parteiübergreifend einstimmig zu.
Steuern und Sozialabgaben
Der Forderung Georg Kippels‘ (CDU), weniger versicherungsfremde Leistungen aus den Sozialkassen zu zahlen – "im Augenblick ist der Versorgungskatalog unserer Krankenversicherungen sehr hoch" – pflichteten mehrere seiner Kollegen bei. Auch Herbrands Aussage "Wenn Gewinne im Betrieb bleiben, müssen sie anders besteuert werden, als wenn sie ausgeschüttet werden", widersprach niemand. "Wir sind Vizeweltmeister bei Steuern und Abgaben und unsere Mitarbeitenden haben zu wenig Netto vom Brutto, um die Handwerksberufe attraktiv und die Motivation hochzuhalten", sagte HWK-Präsident Wollseifer. Die nächste Bundesregierung müsse die Wirtschaft entlasten und in den Vordergrund stellen, "denn wer soll die Staatskasse sonst füllen?".
"Wir wollen wieder mehr Investitionen in den Wirtschaftsstandort haben", sagte Aaron Spielmanns (SPD) und erläuterte das SPD-Modell des "Made-in-Germany-Bonus": Jede Investition eines Betriebs in Maschinen und Geräte soll mit zehn Prozent über eine Steuererstattung gefördert werden: "Damit verfügen Unternehmen kurzfristig über mehr Kapital und wir machen langfristig Investitionen attraktiver."
Fachkräftemangel im Handwerk
Beim Thema Fachkräftemangel im Handwerk zählten die Kandidaten ihre Ideen auf. "Der Weg zum Meisterbrief soll kostenlos werden", sagte Schubert (Grüne). Die SPD wolle sich für Azubi-Wohnheime einsetzen, "um durch günstigen Wohnraum zu unterstützen, dass sich junge Leute für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden", so Spielmanns. Zudem gelte es, den Migrations- und Arbeitsstandort Deutschland attraktiver zu machen. Die AfD sieht bei der Integration von Menschen aus dem Ausland ins Handwerk "viele Hürden", sagte Jeremy Jason, und nannte Sprache, Fachtermini und Sicherheitsstandards in der Ausbildung als Beispiele. Er bezog sich auf eigene berufliche Erfahrungen aus der Arbeit mit jungen Handwerkerinnen und Handwerkern. "Wir glauben nicht daran, dass es einfach ist, Personen aus dem Handwerk aus dem Ausland zu holen." Man müsse vielmehr darauf schauen, dass hierzulande mehr junge Leute eine Ausbildung statt eines Studiums aufnehmen. "Wir brauchen Zuwanderung in den Arbeitsmarkt", sagte hingegen Herbrand, "aber nicht in den Sozialstaat". Die FDP möchte Rentnern mehr Zuverdienst ermöglichen, "um dieses Fachkräftepotenzial auszuschöpfen".
Entscheidend sei die Stärkung der Ausbildung, sagte Wollseifer: "Wir brauchen eine Gleichwertigkeit akademischer und berufliche Bildung – eine echte Bildungswende. Das darf nicht nur von Politikern sonntags versprochen, sondern muss auch unter der Woche gelebt werden. Am besten würde die Gleichwertigkeit verfassungsrechtlich festgelegt."
Herausforderung Betriebsübergabe
Eine große Herausforderung im Handwerk ist, dass viele Betriebe in den nächsten Jahren zur Übergabe anstehen, es aber an Nachfolgern mangelt. Häufig sei dies ein finanzielles Problem, sagte Kippels (CDU): "Hier müssen wir mehr an Risiko- und Wagniskapital denken, um Übernahmen zu ermöglichen." Die SPD wolle einen Deutschlandfonds aufsetzen und Betrieben mit staatlicher Bürgschaft zu einem Bankkredit verhelfen, sagte Spielmanns. Die Frage aus dem Publikum, wie viel Geld der Fonds beinhalten solle, beantwortete er nicht, wohl aber, woher das Geld überhaupt kommen soll: Die Vermögenssteuer solle erhöht, die Schuldenbremse gelockert und die Einkommenssteuer überarbeitet werden.
Fonds und Bürgschaften habe es auch in der Vergangenheit schon gegeben, Wagniskapital sei auch gut, so Wollseifer – nur müsse das alles auch mal funktionieren. Herbrand (FDP) wies darauf hin, dass es ja bereits Bürgschaftsbanken gibt; der Gesetzgeber müsse darauf schauen, unter welchen Bedingungen Kredite vergeben werden. Jason (AfD) forderte, den "Wust der Bürokratie" auf dem Weg in die Selbstständigkeit zu senken.
Bürokratie und Digitalisierung
Zum Thema Bürokratie sagte Schubert (Grüne): "Es ist irre, was wir aktuell an Berichtspflichten haben." Daran seien alle Parteien gemeinsam schuld: "Es braucht den politischen Willen, Bürokratie auf das absolute Minimum zu reduzieren." Dafür brauche es die Digitalisierung und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI). Mehr Digitalisierung und Praxis-Checks für neue bürokratische Regelungen fordern auch die anderen Parteien. Die nächste Bundesregierung müsse sich aber vor allem für weniger Regelungen aus der EU einsetzen, so Herbrand: "Man kann so schnell nicht Bürokratie abbauen, wie aus Europa neue Regelungen kommen."
HWK-Präsident Wollseifer fasste am Ende der Diskussion zusammen, was auf dem Spiel steht: "Wenn wir jetzt nicht den Schalter umlegen, haben wir in einigen Jahren nicht nur deutlich weniger Handwerksbetriebe, sondern auch einen Wohlstandsverlust für die Gesellschaft. Deswegen müssen wir jetzt alle zusammen anpacken."
Kreishandwerkerschaft-Hauptgeschäftsführer Peter Ropertz verabschiedete die Politiker mit einem Geschenk: Er gab ihnen einen Zollstock als "Messlatte des Handwerks" und das Versprechen mit, ihre Arbeit konstruktiv und kritisch zu begleiten.
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