Wichtige UrteileKündigung
- Auch im Ausbildungsverhältnis bedarf es bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen, deren Rechtswidrigkeit dem Auszubildenden ohne weiteres erkennbar und bei denen eine Hinnahme durch den Ausbildenden offensichtlich ausgeschlossen ist (hier: wegen rassistischen Verhaltens), vor dem Ausspruch der außerordentlichen Kündigung keiner Abmahnung. Bei besonders schwerwiegenden Verstößen ist eine Abmahnung grundsätzlich entbehrlich.
(BAG, Urt. v. 1.7.1999 - 2 AZR 676/9) - Fehlt eine Auszubildende während des Ausbildungsverhältnisses ohne (oder mit verspäteter) Einreichung eines Attestes, kommt sie häufig zu spät oder gar nicht zur Arbeit, und ist sie bereits mehrmals abgemahnt und zu Gesprächen mit Vorgesetzten gerufen worden, so kann ihr auch dann gekündigt werden, wenn Probleme innerhalb der Familie für die >>Auszeiten<< verantwortlich sind.
Arbeitsgericht Frankfurt a. M., Urteil vom 24.02.1999, 9 Ca 5907/98.; abgedruckt: EzB n.F. § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, Nr. 85) - Werden von einem Auszubildenden die vorgeschriebenen Berichtshefte nicht oder verspätet vorgelegt, liegt eine Pflichtverletzung vor, die geeignet sein kann, eine außerordentliche Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses zu rechtfertigen. Auch bei hartnäckiger und fortgesetzter Verletzung von Verhaltens- und Leistungspflichten durch den Auszubildenden ist in der Regel vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses eine (erfolglose) Abmahnung notwendig.
(Hess. Landesarbeitsgericht, Urteil vom 03.11.1997, 16 Sa 657/97.; EzB*, § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, Nr. 82) - Das Stanzen eines Blechschildes mit der Inschrift: >>ARBEIT MACHT FREI - TÜRKEI SCHÖNES-LAND<<, und das Anbringen dieses Schildes an der Werkbank eines türkischen Auszubildenden rechtfertigt, nachdem in Gegenwart des entlassenen Auszubildenden von einer Gruppe Auszubildender im Betrieb Lieder mit überaus massiven und unvertretbaren rassistischen Tendenzen, wie u. a. ein sog. Auschwitzlied, das von dem Konzentrationslager Auschwitz, und den dorthin verbrachten Juden handelt, gesungen worden ist, ohne weiteres die außerordentliche Kündigung des Ausbildungsvertrages. Einer vorherigen Abmahnung vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung bedarf es unter diesen Umständen nicht.
(Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil vom 22.10.1997, 13 Sa 110/97.; EzB*, § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, Nr. 81) - Das Ausbildungsverhältnis, für das nach § 15 Abs. 2 BBiG eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, kann im Konkurs des Arbeitgebers für den Regelfall nicht außerordentlich, sondern nur unter Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist vom Konkursverwalter aufgekündigt werden. Maßgebend sind dabei die Kündigungsfristen nach § 622 BGB.
(BAG, Urt. v. 27.5.1993 - 2 AZR 601/92; EzB*, § 22 KO, Nr.1) - Die Verletzung der Pflicht zum Berufsschulbesuch kann ein wichtiger Grund zur Kündigung eines Berufsausbildungsvertrages sein.
Die Kündigungsgründe müssen in vollem Umfang und konkret schriftlich mitgeteilt werden. Die Verweisung auf mündliche oder sonstwie mitgeteilte Kündigungsgründe ist nicht ausreichend.
Bei der bei jeder Kündigung vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung gewinnen für den Bereich der Ausbildungsverhältnisse die Interessen des Auszubildenden in dem Ausmaß an Bedeutung, wie das Berufsausbildungsverhältnis fortschreitet.
(Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.04.1993, 5 Sa 220/93.; EzB*, § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, Nr. 73) - Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes über die fristgebundene Klageerhebung (§ 13 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 4) gelten nicht für die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung von Berufsausbildungsverhältnissen, unabhängig davon, ob ein Ausschuss zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden i. S. d. § 111 Abs. 2 ArbGG besteht oder nicht (Fortführung der Rechtsprechung des BAG gemäß Urteil vom 13. April 1989 - AZ: 2 AZR 441/88 -).
Das Gegenteil folgt auch nicht aus § 3 Abs. 2 BBiG, wonach die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze auch auf das Berufsausbildungsverhältnis anwendbar sind, soweit sich aus dem Wesen und Zweck des Berufsausbildungsvertrages und aus dem Berufsbildungsgesetz nichts anderes ergibt.
Zur Begründung der außerordentlichen Kündigung gegenüber einem Auszubildenden kann sich der Auszubildende im Hinblick auf § 15 Abs. 3 BBiG nur auf diejenigen Gründe berufen, die konkret und nachvollziehbar im Kündigungsschreiben selbst oder in einer Anlage zu diesem Kündigungsschreiben ausgeführt sind. Das schließt ein Nachschieben von dort nicht ausgeführten Kündigungsgründen selbst dann aus, wenn nachgeschobene Kündigungsgründe bereits im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs vorhanden waren, dem Auszubildenden jedoch erst nachträglich bekannt geworden sind.
Wenn sich der Auszubildende wegen krankheitsbedingter Abwesenheitszeiten jeweils zu Beginn dieser Abwesenheitszeiten (telefonisch oder schriftlich) beim Ausbildenden oder seinem Vertreter entschuldigt hat, dann vermag die verspätete Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in der Regel die außerordentliche Kündigung des Ausbildungsverhältnisses selbst dann nicht zu rechtfertigen, wenn es sich um einen Wiederholungsfall nach vorheriger, einmaliger, einschlägiger und ordnungsgemäßer Abmahnung handelt, weil der Obliegenheitspflichtverletzung in diesem Fall bereits nicht das erforderliche Gewicht des wichtigen Grundes i. S. d. § 15 Abs. 2 Ziff. 1 BBiG zukommt.
Nach Feststellung der Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses hat der Auszubildende grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Weiterbeschäftigung im Rahmen des Ausbildungsvertrags bis zu dessen fristgemäßer Beendigung in entsprechender Anwendung der vom Bundesarbeitsgericht für das Arbeitsverhältnis entwickelten Regeln.
(Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 05.01.1990, 1 Sa 23/89.;EzB*, § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, Nr. 72) - Das Erfordernis der Angabe der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen ist nur dann erfüllt, wenn der kündigende Ausbildende den maßgebenden Sachverhalt unter Angabe der Tatsachen, aus denen er den Kündigungsentschluss herleitet, so umschreibt, dass der gekündigte Auszubildende erkennen kann, um welche konkreten Vorfälle es sich dabei handelt. Gegen die Übernahme einer Verpflichtung in einem Vergleich, einen Haarschnitt zu tragen, bei dem die Kopfhaut nicht sichtbar ist, bestehen keine Bedenken.
(Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11.07.1989, 14 Sa 46/89.; EzB*, BBiG § 15 Abs. 3, Nr. 33) - Eine einzelvertragliche Vereinbarung, nach welcher ein Berufsausbildungsverhältnis ohne weiteres endet, wenn das Zeugnis des Auszubildenden für das nächste Berufsschulhalbjahr in einem von bestimmten in der Vereinbarung aufgeführten Fächern die Note >>mangelhaft<< aufweist, ist wegen Umgehung zwingenden Kündigungsrechts unwirksam.
(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 05.12.1985, 2 AZR 61/85.; EzB*, § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, Nr. 20) - Vor Erhebung der Klage muss eine Schlichtungsverhandlung stattgefunden haben. Nicht erforderlich ist, dass der Schlichtungsausschuss einen Spruch gefällt hat.
Unentschuldigtes Fehlen beim Berufsschulunterricht rechtfertigt jedenfalls dann eine fristlose Kündigung, wenn der Auszubildende wahrheitswidrig das Vorliegen einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung behauptet, um den Ausbildenden zu veranlassen, ihm die Ausbildungsvergütung fortzuzahlen bzw. zu belassen, obgleich er hierauf keinen Anspruch hatte.
(Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 03.12.1984, 9 Ca 5595/84.; EzB*, § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, Nr. 53) - § 15 Abs. 3 BBiG enthält eine qualifizierte Formvorschrift, d. h. die außerordentliche Kündigung muss schriftlich unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen.
Nimmt der Kündigende im Kündigungsschreiben nur auf die dem Gekündigten vorher mündlich mitgeteilten Kündigungsgründe Bezug, so ist die Kündigung wegen Verstoßes gegen § 15 Abs. 3 BBiG nichtig.
(Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 26.01.1982, 1/8 Sa 710/81.; Abgedruckt: EzB BBiG § 15 Abs. 3, Nr. 17) - Bei einem Streit aus einem bestehenden Berufsausbildungsverhältnis muss gemäß § 111 Abs. 2 ArbGG vor der Klageerhebung beim Arbeitsgericht das Verfahren vor dem Ausschuss zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden durchgeführt werden, falls ein solcher Ausschuss besteht.
§ 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG enthält eine prozessuale Ausschlussfrist. Wird gegen einen nicht anerkannten Spruch des Ausschusses nicht fristgemäß Klage beim Arbeitsgericht erhoben, so hat dies nur die prozessuale Folge, dass der vor dem Ausschuss verhandelte Streitgegenstand von keiner Partei mehr vor die Arbeitsgerichte gebracht werden kann.
Weitere materiell-rechtliche Wirkungen kommen der Frist des § 111 Abs. 2 Satz 3 ArbGG nicht zu. Das Arbeitsgericht kann die von dem Ausschuss entschiedene, jedoch von einer Partei nicht anerkannte und auch nicht vor dem Arbeitsgericht weiterverfolgte Frage als Vorlage in einem Folgeprozess selbständig würdigen.
(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.10.1979, AZR 776/77.; EzB*, BBiG § 15 Abs. 3, Nr. 15) - Es können nur die im Kündigungsschreiben angegebenen Gründe berücksichtigt werden.
Wird die außerordentliche Kündigung mit einer außerhalb des Berufsausbildungsverhältnisses begangenen Straftat des Auszubildenden begründet, ist sie unwirksam, wenn sich die Straftat nicht auf das Ausbildungsverhältnis auswirkt.
(Arbeitsgericht Bochum, Urteil vom 9.8.1979, 2 Ca 193/78.; EzB*, § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, Nr. 20) - Wird ein Berufsausbildungsverhältnis gekündigt, weil auf seiten des Ausbildenden die Eignungsvoraussetzung nicht vorlagen und sich dieser auch nicht ausreichend bemüht hatte, die Befähigung zur Ausbildung zu erhalten, so ist der Ausbildende schadensersatzpflichtig.
Der Schaden liegt in der Differenz zwischen der gezahlten Ausbildungsvergütung und dem Hilfsarbeiterlohn, der bezahlt worden wäre, wenn der Auszubildende nicht das Ausbildungsverhältnis eingegangen wäre.
(Arbeitsgericht Detmold, Urteil vom 31.7.1979, 2 Ca 304/79.; EzB*,: BBiG § 16, Nr. 5) - Die Kündigung ist gerechtfertigt, wenn sich der Auszubildende in knapp sieben Monaten zwölfmal verspätete und an drei Tagen ohne rechtzeitige Entschuldigung dem Berufsschulunterricht und der betrieblichen Ausbildung fernblieb, obwohl er deswegen wiederholt mündlich und schriftlich abgemahnt wurde.
(Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 7.11.1978, 6 Sa 1096/78; EzB*, § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, Nr. 35) - Die mündliche Kündigung eines Ausbildungsvertrags ist nichtig. Kündigt der Ausbildende, so ist es seine Sache, darzulegen und zu beweisen, dass die vorgeschriebene Form eingehalten wurde und der Kündigung Kündigungsgründe beigegeben wurden.
(Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 11.11.1977, 6 Sa 632/77.; Abgedruckt: EzB. BBiG § 15 Abs. 3, Nr. 10) - Wird die Anrufung des Schlichtungsausschusses vor Klageerhebung versäumt, so kann dieser Mangel noch nachträglich geheilt werden.
Gründe, die vor dem Ablauf der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 BBiG liegen, können eine fristlose Kündigung nur dann rechtfertigen, wenn sie ein weiteres und letztes Glied in der Kette bilden sowie in einem inneren Zusammenhang mit den noch nicht verbrachten Kündigungsgründen stehen und im Kündigungs- schreiben erwähnt werden. Zum Leistungsverweigerungsrecht gegenüber ausbildungsfremden Arbeiten.
Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil vom 22.8.1977, 9 Sa 50/76.; EzB*, § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, Nr. 12) - Die Angabe der Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben ist nach § 15 Abs. 3 BBiG Wirksamkeitsvoraussetzung für die außerordentliche Kündigung eines Berufsausbildungsvertrags. Fehlt es daran, so ist die Kündigung nichtig. Der Kündigende muss in dem Schreiben die Tatsache mitteilen, die für die Kündigung maßgeblich sind, Werturteile wie >>mangelhaftes Benehmen<< oder >>Störung des Betriebsfriedens<< genügen nicht. Auch bei solcher Bezeichnung der Kündigungsgründe ist die Kündigung nichtig. Die mangelnde Begründung kann nicht nachgeholt werden (Bestätigung von BAG AP Nr. 1 zu § 15 BBiG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).
Ist der Auszubildende minderjährig, dann kann der Ausbildende eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich nur gegenüber dem gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen wirksam erklären. Diesem sind auch die Tatsachen mitzuteilen, die die Kündigung begründen sollen. Es reicht nicht aus, wenn dem Minderjährigen selbst die Kündigungsgründe bekanntgegeben werden.
Das Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden (§ 111 Abs. 2 ArbGG) erfüllt auch dann Zweck, wenn es nach Klageerhebung, aber vor der streitigen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht stattfindet.
(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.11.1976, 2 AZR 751/75.; EzB*, BBiG § 15 Abs. 3, Nr. 4) - Nur in seltenen Ausnahmesituationen kann ein Auszubildender nach Absolvierung einer bereits 3jährigen Ausbildungszeit vor Beginn der Prüfung noch fristlos entlassen werden.
Bei offensichtlich unwirksamer Kündigung besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung, der im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann, wenn der Arbeitnehmer glaubhaft macht, dass ihm ein schwerwiegender Nachteil droht.
(Arbeitsgericht Hildesheim, Urteil vom 16.5.1975, 2 Ga 8/75;EzB*, BGB § 611 Beschäftigungsanspruch, Nr. 3) - Verletzt der Lehrling trotz wiederholter Abmahnung seine Pflicht zum Besuch der Berufsschule, so stellt dies für den Lehrherrn einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung dar.
(Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 7.10.1970, 1 Sa 774/69.; EzB*, § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, Nr. 33)