Studienaussteiger fürs Handwerk gewinnen
Handwerkskammer zu Köln baut Beratungsstelle für Studienabbrecher auf, der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel überreicht den Förderbescheid
Vorgesehen sind Sprechstunden für Studienabbrecher, Exkursionen zu Unternehmen, Gesprächsrunden mit Berufspraktikern
Wollseifer kritisiert das NRW-Wissenschaftsministerium, das den Wechsel vom Studium in eine Berufsausbildung nicht als sinnvollen Bildungsweg anerkennen will
In vielen Handwerkszweigen wird es für die Unternehmen zunehmend schwieriger, geeignete Bewerber für die angebotenen Ausbildungsstellen zu finden. Daher sind Studenten, die ihr Studium nicht zu Ende führen wollen und sich daher beruflich neu orientieren müssen, ein vielversprechendes Potential auch für die Handwerkswirtschaft. Schätzungsweise 20 bis 30 Prozent aller Studenten brechen ihr Studium ab; an sie richtet sich die neue Beratungsstelle, die von der Handwerkskammer zu Köln derzeit aufgebaut wird.
Gefördert wird diese Karriereberatung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Das Programm des Bundesministeriums „Jobstarter plus“ finanziert bis Ende 2017 die Personalkosten für die neue Form der Ausbildungsvermittlung, für die eineinhalb Personalstellen vorgesehen sind. Den Förderbescheid des Bundesbildungsministeriums überreichte der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel dem Präsidenten der Handwerkskammer zu Köln, Hans Peter Wollseifer, und dem Hauptgeschäftsführer der Kammer, Dr. Ortwin Weltrich.
Wegen des in der Zukunft drohenden Fachkräftemangels nehmen Handwerksunternehmen verstärkt neue Zielgruppen in den Blick, das erleichtert es auch Studienaussteigern, im Handwerksbetrieb akzeptiert zu werden. Wollseifer verweist auf „Karriereperspektiven, die sich in den mittelständischen Betrieben auf der Grundlage der Ausbildung und anschließender Fortbildung bieten. So ist der Durchstieg bis in die Betriebsleitung möglich“. Der Kammerpräsident begrüßt die Initiative des Bundesbildungsministeriums, ein Programm zur Unterstützung von Studienaussteigern zu starten.
Derzeit führt das nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium Zielvereinbarungsgespräche mit den Hochschulen des Landes, mit dem Ziel, die Studienabbruchquoten zu senken.
Handwerkspräsident Wollseifer kritisiert, dass dabei beabsichtigt sei, den erfolgreichen Wechsel vom Studium in eine berufliche Aus- oder Weiterbildung als Abbruch zu werten. „Das irritiert uns, weil es die gesamte Diskussion der letzten Jahre um die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung auf den Kopf stellt“. Daher fordert Wollseifer die Landesregierung zu einer Klarstellung in dieser Sache auf.
Die neue Beratungsstelle der Handwerkskammer wird Studienabbrechern das breite Spektrum an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Handwerk aufzeigen und sie bei der Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz unterstützen. Die Mitarbeiter der Beratungsstelle werden in die Hochschulen gehen, zu diesem Zweck hat die Handwerkskammer im Herbst 2014 eine Kooperationsvereinbarung mit der Universität zu Köln abgeschlossen. So wird es in Zusammenarbeit mit der Studienberatung der Kölner Universität Sprechstunden für Studienabbrecher geben. Zudem werden die Mitarbeiter der Handwerkskammer Veranstaltungen mit Berufspraktikern und Exkursionen zu Unternehmen organisieren, damit sich Studienabbrecher mit der Berufswelt vertraut machen können. Für sie ist eine Ausbildung im Handwerk auch deswegen attraktiv, weil die im Studium bereits erbrachten Studienleistungen auf die Ausbildung angerechnet werden können. Das macht es möglich, die Dauer der beruflichen Ausbildung um bis zu 18 Monate zu verkürzen.
An der Auftaktveranstaltung zur neuen Beratungsstelle der Kammer beteiligten sich auch die Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agenturen für Arbeit Bonn und Köln sowie die Kanzlerin der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg, Dr. Michaela Schuhmann, und die drei Kölner Bundestagsabgeordneten Prof. Dr. Heribert Hirte, Karsten Möring und Dr. Rolf Mützenich. Welche Perspektiven das Handwerk Studienaussteigern bietet, wurde zum Abschluss der Auftaktveranstaltung von Bildungs- und Arbeitsmarktexperten erörtert: Unter Leitung des Hauptgeschäftsführers der Handwerkskammer, Dr. Ortwin Weltrich, diskutierten Roswitha Stock, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Köln, Andreas Oehme, Geschäftsführer des Westdeutschen Handwerkskammertags, und Dr. Markus Eickhoff, stellvertretender Geschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln.
Betriebe unterstützen, Ausbildung gestalten, Fachkräfte gewinnen: Mit dem Ausbildungsstrukturprogramm JOBSTARTER plus fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bundesweit die Verbesserung regionaler Ausbildungsstrukturen. Die JOBSTARTER plus-Projekte unterstützen mit konkreten Dienstleistungen kleine und mittlere Unternehmen in allen Fragen der Berufsausbildung und tragen so zur Fachkräftesicherung bei. Durchgeführt wird das Programm von der Programmstelle JOBSTARTER beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB).