Wann hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Zusatzurlaub?
Selbst wenn der Jahresurlaub schon genommen ist, haben Arbeitnehmer bei bestimmten Anlässen oft zusätzlichen Anspruch auf eine bezahlte Freistellung. So gibt es bestimmte Ereignisse wie z.B. die Geburt des Kindes, einen runden Geburtstag der Oma oder den Tod eines nahen Angehörigen, die Kommunion/Konfirmation des Kindes oder Patenkindes, Arztbesuche, Behördengänge, Umzüge etc., anlässlich derer ein Arbeitgeber mit der Frage nach Zusatzurlaub konfrontiert wird und zu entscheiden hat, ob er den Mitarbeiter gegen Fortzahlung seiner Entgeltansprüche von der Arbeit freistellen muss oder nicht.
Häufig werden in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträgen derartige Freistellungsansprüche geregelt. Die Anlässe und die Dauer einer Freistellung werden darin sehr unterschiedlich geregelt, mitunter von einem bis zu vier Tagen. Fehlen solche Regelungen oder sind diese auf das einzelne Arbeitsverhältnis nicht anwendbar, so kommt die gesetzliche Regelung des § 616 BGB zur Anwendung. Danach hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf entgeltliche Freistellung, sofern er unverschuldet für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit und durch einen nicht in seiner Person liegenden Grund an der Arbeitsleistung verhindert ist.
Da diese gesetzliche Regelung kompliziert formuliert und eher offen gehalten ist, sollten Arbeitgeber sich zumindest die folgenden Richtwerte merken, die sich hierzu aus der Rechtsprechung der Gerichte ergeben haben: Eigene Eheschließung (1 Tag), Geburt des eigenen Kindes (1 Tag), Tod naher Familienangehöriger (2 Tage), Umzug mit eigenem Hausstand im Falle objektiver Notwendigkeit (1-2 Tage). Arztbesuche muss der Mitarbeiter grundsätzlich in die Freizeit legen. Nur wenn dies nicht möglich ist, hat er einen Anspruch auf bezahlte Freistellung; im Falle gleitender Arbeitszeit jedoch hat der Arbeitgeber lediglich für die ausgefallene Kernarbeitszeit zu zahlen.
Behördengänge oder Gerichtstermine in privaten Angelegenheiten, wie auch Familienfeste wie Geburtstage, Kommunion- und Konfirmationsfeiern oder Hochzeiten im Familienkreis, begründen keinen Freistellungsanspruch des Mitarbeiters; für diese Anlässe muss ganz normaler Urlaub beantragt werden. Anders liegt es wiederum bei einer gerichtlichen Vorladung, z. B. als Zeuge eines Verkehrsunfalles: Die diesbezüglich verbrachte Zeit im Gericht darf nicht auf den Jahresurlaub eines Arbeitnehmers angerechnet werden; der Arbeitnehmer hat insoweit einen bezahlten Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber.
In jedem Fall hat der Arbeitnehmer seinen Chef über den Grund seiner Arbeitsverhinderung unverzüglich zu informieren und darf nicht länger als objektiv „angemessen" der Arbeit fernbleiben; bei Überschreitung der objektiv notwendigen und angemessenen Frist entfällt der Anspruch auf Freistellung insgesamt.
Unabhängig von einem solchen Sonderurlaub besteht allerdings auch ein Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers für den Fall, dass sein unter 12-jähriges Kind erkrankt ist und die Beaufsichtigung und Betreuung durch die Eltern nach ärztlichem Attest erforderlich ist. Im Unterschied zu den oben genannten Fällen ist der Arbeitgeber nicht zur Fortzahlung der Vergütung, sondern die gesetzliche Krankenkasse zur Zahlung eines Pflege-/Krankengeldes für bis zu 10 Tagen pro Jahr und Kind verpflichtet.
08.11.2012, RAin S. Schönewald